Coronakrise: Digitale Entwicklungen in der PhysiotherapiE
Die anhaltende Pandemie bestimmt momentan das Leben und den Arbeitsalltag aller. Das öffentliche Leben wurde teilweise lahmgelegt oder zumindest entschleunigt. Die Auswirkungen der Coronakrise sind an vielen Stellen spürbar. So auch in der Physiotherapie. Die meisten Physiotherapie Praxen haben einen deutlichen Einbruch an Patientenzahlen erlitten oder haben gar mit Existenzängsten zu kämpfen. Dennoch gibt es einen Lichtblick in dieser Zeit: Denn die Krise hat die Fortschritte in puncto Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Physiotherapie deutlich beschleunigt. Das Thema E‑Health ist in aller Munde, digitale Dienste wie Videosprechstunden sind keine Seltenheit mehr und Barrieren, zum Beispiel bei der Abrechnung, wurden abgebaut.
Digitaler Fortschritt in der Gesundheitsbranche
Schon vor der Coronakrise hatte sich der digitale Fortschritt in der Gesundheitsbranche angekündigt. Der erste Weg für die Telemedizin wurde bereits 2018 durch die Lockerung des Verbots der Fernbehandlung vom deutschen Ärztetag geebnet. Zuletzt wurden zudem das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sowie das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) eingeführt. Dennoch haperte es bisher an der flächendeckenden Umsetzung und Akzeptanz. Während einige Praxen und Kliniken bereits telemedizinische Dienste nutzen, war bei anderen das Thema Digitalisierung noch längst nicht angekommen. Skepsis und zu viele ungeklärte Fragen hielten die Weiterentwicklung auf. Die größte Hürde war sicherlich die Frage der Abrechnung und die zähen Verhandlungen zwischen den Krankenkassen und Berufsverbänden. Oft wurde auch die Frage nach der ausreichenden Infrastruktur und datensicheren Softwares sowie deren Zertifizierungen laut. Zudem stehen auch einige der Telemedizin mit generellem Misstrauen gegenüber und wehren sich gegen den digitalen Fortschritt in ihrer Praxis.
Doch der Status Quo vor der Krise, welchen wir ausführlich in unserem letzten Blogpost beleuchten, hat sich nun deutlich geändert. Durch die Coronakrise und die einhergehenden Auflagen und Kontaktbeschränkungen ist das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen so präsent wie nie. Gab es bisher nur vereinzelte Pilot-Projekte, sind die vielen E‑Health-Angebote nun jedem bekannt und zugänglich. Selbst die größten Skeptiker sind aufgerufen, sich mit den digitalen Diensten auseinanderzusetzen, um auch in der Krise ihre Patienten betreuen zu können.
Bahn frei für die Telemedizin
Es lässt sich ganz deutlich beobachten: Die Coronakrise fungiert als Beschleuniger der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Telemedizinische Anwendungen sind keine Randerscheinung mehr. Es entstehen immer mehr Möglichkeiten, über Videotelefonie mit Ärztinnen und Ärzten in Kontakt zu treten und Sprechstunden, Beratungen oder sogar Behandlungen auf diesem neuen Weg in Anspruch zu nehmen. Im Interview mit dem Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IGK) sagte der Professor für Medizinmanagement David Matusiewicz: „Wir befinden uns in einer Zeit der Transformation von der analogen zur digitalen Welt, manche sprechen sogar von einer Zeitschmelze einer immer schneller werdenden Entwicklung. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Entwicklung durch die Corona-Pandemie weiter Fahrt aufnimmt. Angefangen hat es mit einfachen telemedizinischen Anwendungen, mittlerweile laufen manche Therapieformen digital.“
Auch gesetzlich tut sich einiges: Bereits seit dem 18. März können Fernbehandlungen nun auch einfach über die Krankenkassen abgerechnet werden. Bisher waren nur Beratungen via Video abrechenbar. Zudem wurde das Patientendaten-Schutzgesetz (PDGS) auf den Weg gebracht. Dieses soll für mehr Sicherheit und Schutz der elektronischen Patientenakte, der e‑Verordnungen und Überweisungen sorgen und ab Herbst in Kraft treten. Außerdem ist am 5. Mai der Rettungsschirm in Kraft getreten. Dieser sichert zugelassenen Heilmittelerbringern wie Physiotherapeuten einmalig eine Ausgleichzahlung zu. Der Rettungsschirm beinhaltet, dass Praxen eine Einmalzahlung in Höhe von 40 Prozent der Leistungen erhalten, die sie im vierten Quartal 2019 mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet haben. Diese Zahlung muss nicht zurückbezahlt werden. Sie wird auch nicht mit weiteren Hilfen wie dem Kurzarbeitergeld oder den Soforthilfen von Bund und Ländern verrechnet.
„Digital versorgt – gesünder vernetzt“ – So lautet der Slogan des DVG, das Gesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebracht hat. Dass an diesem Slogan viel Wahres dran ist, erfahren wir momentan täglich. Denn die in die Wege geleiteten Gesetze und damit einhergehenden digitalen Angebote sorgen in der Krise nicht nur für die Patientenversorgung. Sie tragen zudem maßgeblich dazu bei, die Minimierung des Ansteckungsrisikos von COVID-19 zu gewährleisten.
Moderne Physiotherapie
Neben den gesetzlichen Veränderungen, sind auch einige Veränderungen in der Praxis zu erkennen. Dabei erfahren nicht nur Angebote wie Videosprechstunden steigende Akzeptanz. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und digitalen Trainings- und Therapiegeräten stößt auf größeren Zuspruch. Ein Beispiel eines solchen modernen Gerätes ist die Pixformance Station, welche anhand präziser Analysen die Bewegungen der Patienten trackt und diese sekundenschnell auswertet. So können Korrekturhinweise sowie Feedback zur jeweiligen Übungsausführung geliefert werden. Außerdem wird die Übung auf dem Bildschirm von einem virtuellen Therapeuten angezeigt, welcher der Patient einfach folgen kann. Der große Vorteil dieser Therapie: Durch eine personalisierte QR-Code Karte, mit welcher man die jeweiligen Übungen starten kann, ist ein völlig kontaktloses Training mit genügend Sicherheitsabstand möglich. Dank der intelligenten Sensorik und der Bewegungsanalyse ist dennoch zu jeder Zeit eine korrekte und sichere Übungsausführung gewährleistet. So können die Therapeuten erheblich bei ihrer alltäglichen Arbeit und der Betreuung ihrer Patienten während der Coronakrise unterstützt werden.
Auch die physiotherapeutischen Verbände arbeiten mit Hochdruck daran, die moderne Physiotherapie zugänglich zu machen. Um die therapeutische Patientenversorgung in Deutschland während der Pandemie zu stützen und sichern , haben die vier maßgeblichen physiotherapeutischen Verbände IFK, VDB, VPT und PHYSIO-DEUTSCHLAND mit dem Physiotherapeutennotdienst eine Plattform geschaffen. Diese macht die Ärzte, Kliniken und Patienten mithilfe einer Postleitzahlen-Suche auf Physiotherapeuten in Wohnortnähe aufmerksam. Zudem ist auf dieser Plattform ersichtlich, welcher Therapeut welche telemedizinischen Dienste anbietet und inwiefern man von diesen momentan Gebrauch machen kann. So wird den Patienten der Zugang zu den neuen Methoden zusätzlich vereinfacht.
Langfristige Verbesserung durch Digitalisierung
Wenn man sich einen Überblick über die aktuellen Angebote im teletherapeutischen Bereich verschafft, ist der deutliche Wandel durch die Coronakrise schnell feststellbar. Und auch mit langfristigem Blick auf die Zukunft gibt es viele gute Gründe, die für eine Digitalisierung der Therapie sprechen. Zum einen ist das der Fachkräftemangel, der durch zeit- und ortsunabhängige digitale Therapieunterstützung insbesondere im ländlichen Raum abgemildert werden kann. Auch der demografische Wandel mit alternder Gesellschaft und immer mehr Chronikern benötigt digitale Assistenzsysteme in Therapie und Pflege. Zur schnellen Digitalisierung tragen natürlich auch vor allem die erwähnten neuen Technologien in Form von digitalen Therapie- und Übungssystemen mit Sensorik und Echtzeitfeedback wie von Pixformance bei.
Bei stetiger digitaler Weiterentwicklung, könnte der digitale Praxisalltag in Zukunft etwa wie folgt aussehen: Der Arzt speichert die elektronische Verordnung oder die Blanko-Verordnung auf der elektronischen Gesundheitskarte beziehungsweise dem mobilen Endgerät. Dies wird in die Praxissoftware übernommen und der Therapeut kann den Patienten standortunabhängig in der Praxis, im Seniorenheim, im Betrieb oder über webbasierte Lösungen auch zu Hause befunden und therapieren. Alle Leistungen werden dabei vom Patienten mit digitaler Unterschrift bestätigt. Die Kassenabrechnung erfolgt direkt aus der Praxissoftware via zertifizierter Kassenschnittstelle. Ohne Umweg über ein Abrechnungszentrum.
In diesem voll vernetzten Praxisalltag sind wir bisher noch nicht angekommen. Die Coronakrise verdeutlicht aber, wie wichtig ergänzende digitale Therapie- und Trainingskonzepte auch ohne persönliche Kontakte sind. Die vielen Chancen, die sich für die Physiotherapie, aber auch für die restliche Gesundheitsbranche ergeben, sollten genutzt werden. Inwiefern sich die Telemedizin schließlich auch nach der Pandemie langfristig in unser Gesundheitssystem eingliedern und durchsetzen wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Wir begrüßen den digitalen Fortschritt und blicken gespannt auf die kommenden Entwicklungen. Gerne möchten wir uns an dieser Stelle dem Appell von Frau Dr. Shari Langemak, Ärztin und Digital-Health-Strategin, an alle Physiotherapeuten anschließen: „Nutzt die Digitalisierung!“
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